Im Begegnungszentrum Haus Hörn gibt es neuerdings einen Gesprächskreis für Angehörige von beratungsresistenten eltern. „Manche sind echt verzweifelt“, berichtet sozialarbeiterin Ingrid schmidt.
Wenn die Eltern plötzlich schwierig werden, dann liegt es nicht immer daran, dass die Kinder in die Pubertät kommen. Es kann auch sein, dass die Eltern allmählich alt werden und Hilfe brauchen. Hilfe, die sie nicht immer annehmen wollen. Wenn die Eltern alt werden, dann stehen plötzlich ganz neue Fragen im Raum. Ist die Wohnung nicht zu groß und voller Stolperfallen? Sollte nicht etwas Kleineres, Behindertengerechtes her? Auf dem angespannten Wohnungsmarkt sind solche – bezahlbaren – Wohnungen gar nicht so einfach zu finden. Und wenn man dann endlich etwas in Aussicht hat, dann kommt es vor, dass Vater oder Mutter sagen: „Nö, mach ich nicht. Ich bleib’, wo ich bin.“ Da können die Kinder sich noch so den Mund fusselig reden. Für Angehörige mit solchen Erfahrungen gibt es jetzt, ganz neu in Aachen, einen Gesprächskreis.
„Hilfe – meine Eltern sind beratungsresistent“ ist ein Angebot des Pluspunkt-Begegnungszentrums im Haus Hörn.
Leiterin Ingrid Schmidt hat die Runde ins Leben gerufen. Die Sozialarbeiterin leitet auch das betreute Wohnen (84 Wohneinheiten) in Haus Hörn. Und in Gesprächen erzählen Angehörige ihr immer wieder, dass sie – endlich – etwa Passendes für Vater oder Mutter gefunden haben und dann plötzlich Kontra kriegen. „Eltern tun Dinge, die Kinder für wenig sinnvoll halten. Und Kinder können nicht durchsetzen, was sie für richtig halten“, sagt Schmidt. „Da sind manche echt verzweifelt.“ In der Gesprächsgruppe sollen Angehörige die Chance haben, den ganzen Frust mal rauszulassen, sich mit Menschen auszutauschen, die in derselben Situation sind.
Neue Teilnehmer willkommen
Die ersten Treffen haben stattgefunden, neue Teilnehmer sind aber gerne gesehen. Nicht nur Töchter und Söhne sind in der Runde willkommen, sondern auch Geschwister, sonstige Angehörige oder gute Freunde. Schmidt ist überzeugt: Wenn man darüber spricht, ist so ein Problem viel leichter zu handhaben. Und was dem einen geholfen hat, funktioniert vielleicht auch in anderen Familien. Wenn die Eltern alt werden, tauchen drängende Fragen auf. Nicht nur übers Wohnen muss – eigentlich – geredet werden. Auch beim Einkauf ist vielleicht Hilfe zu organisieren. Oder es muss festgelegt werden, wer in einer Vorsorgevollmacht als Mensch des Vertrauens benannt wird.
Den Rücken stärken
Bei ihrer Arbeit im Begegnungszentrum erfährt Schmidt immer wieder, was Kinder – häufig sind es die Töchter – neben ihrem eigenen Alltag alles stemmen, um die Eltern zu unterstützen. „Kinder fahren oft weiteWege für ihre Eltern.“ Und doch, sagt Schmidt, fühlen sich diese Kinder oft schuldig; glauben, dass sie nicht genug tun für die Mutter oder den Vater; dass andere sie für egoistisch halten, wenn sie auch manchmal an sich denken.
„Es geht mir darum, die Angehörigen zu entlasten, ihnen den Rücken zu stärken“, sagt Schmidt. Die Gruppe soll helfen, im Gespräch Probleme zu überdenken.
„Den richtigen Weg muss allerdings jeder für sich selbst finden.“ Schmidt warnt vor falschen Erwartungen an die Gruppe: „Hier werden keine Tricks verraten, wie man seine Eltern dazu bringt, Rat anzunehmen.“ Ohnehin will die Sozialarbeiterin gar nicht Position beziehen in der Frage, wer denn Recht hat. „Eltern haben auch das Recht zu entscheiden, dass sie nicht aus der vertrauten Umgebung wegwollen in die barrierefreie Wohnung.“ Väter und Mütter, die sich wehren, haben noch Energie, sagt sie. „Und alles, was wir selber tun, hält uns fit.“
Margot Gasper
Quelle: Aachener Nachrichten vom 02. August 2016
Foto: Andreas Herrmann
Mit freundlicher Genehmigung der Zeitungsverlag Aachen GmbH, Aachen, http://www.zeitungsverlag-aachen.de/
Das nächste Treffen des Gesprächskreises findet am Donnerstag, den 25. August statt. Erfahren Sie mehr!
veröffentlicht am 3. August 2016 in den Kategorien AN, Begegnungszentrum, Pressespiegel