Aktuelles » Intensive Langzeitpflege im Haus Hörn seit 15 Jahren

Aachen. 1986 wurde in Aachen das Hospiz Haus Hörn gegründet. Es war das erste Hospiz Deutschlands. Vergangenes Jahr, zum 30-Jährigen, wurde diese wegweisende Initiative gewürdigt. Was viele nicht wissen: Aus dem Hospiz heraus ist auch ein Angebot entstanden, das seine Macher als einzigartig in Aachen und Umgebung bezeichnen: die Intensive Langzeitpflege (ILP).

 Mit einem großen Fest wurde in diesem Sommer das 15-jährige Bestehen dieser Rehabilitationseinrichtung gefeiert. Die Intensive Langzeitpflege, erläutert Hausleiterin Jeannette Curth, kümmert sich um Menschen, die über eine lange Zeit Pflege und Therapie brauchen. Haus Hörn versorgt zum Beispiel Wachkomapatienten, Menschen nach einem Schlaganfall oder einer Schädelverletzung, Patienten mit Hirnblutung, Multipler Sklerose oder Amyotropher Lateralsklerose (ALS). Spezialisiert ist das Team auf Menschen, die beatmet werden müssen oder einen künstlichen Atemweg haben.

Im Gegensatz zum Hospiz, das Menschen mit einer unheilbaren Krankheit in der letzten Lebensphase begleitet, zielt die ILP auf Rehabilitation. Im Mittelpunkt steht die Frage, was die Bewohner wieder erlernen können und wie man ihnen dabei bestmöglich helfen kann. „Und das war vor 15 Jahren ziemlich revolutionär“, erinnert sich Jeannette Curth.

„Bewusstlos im Bett“

Pflegeleiter Michael Schmidtke erzählt von einem 24-Jährigen, der nach einem Treppensturz mit einem schweren Schädelhirntrauma im Wachkoma lag und nach Krankhausaufenthalt und Reha in die ILP kam. „Er konnte nichts, als er ankam“, sagt Schmidtke. „Er lag bewusstlos im Bett.“ Anderthalb Jahre hat der junge Mann in Haus Hörn verbracht. Als er nach Hause entlassen wurde, verließ er die Station zwar im Rollstuhl, „aber er hat uns zugewinkt“, erzählt Schmidt.

Um das zu erreichen, hat eine ganze Armada von Fachleuten viele Monate mit dem jungen Mann gearbeitet. In der Logopädie musste er zum Beispiel das Schlucken neu lernen, in der Ergotherapie alltäglich Bewegungen wie das Zähneputzen trainieren. Jeannette Curth hebt auch die wertvolle Unterstützung durch Angehörige hervor. „Sie bringen vertraute Stimmen und den Alltag von zu Hause ans Krankenbett. Das ist sehr wichtig.“

Überhaupt Alltag: Seit 2014 ist Teilhabe (Stichwort Inklusion) ein wichtiger Aspekt. Die Bewohner sollen Zugang zu allen Bereichen des täglichen Lebens haben. „Früher haben wir uns bemüht, das Leben hier ins Haus zu holen“, erklärt Curth. „Jetzt gehen wir mit unseren Bewohnern nach draußen.“

Und draußen kann so ziemlich alles sein: eine Fahrt mit der Aseag zum Einkaufen in die Innenstadt, ein Ausflug ans Meer oder in einen Freizeitpark, eine Bowling-Tour, ein Kinobesuch – oder ein Besuch bei den Aachener Kurpark Classix. „Letztes Jahr saßen wir mit mehreren Bewohnern beim BAP-Konzert in der ersten Reihe“, erinnert sich Jessica Merten vom Sozialdienst des Hauses.

 Solche Touren sind ganz im Sinne der Rehabilitation. „Wachkoma-Patienten nehmen an ihrer Umgebung teil“, erklärt die Hausleiterin. „Wir gehen davon aus, dass sie manches neu lernen können.“ Und wer früher gerne Rockmusik gehört hat, erhält beim Konzert womöglich wertvolle Impulse.

Heute 26 Plätze

Die Intensive Langzeitpflege soll die Patienten letztlich so weit bringen, dass sie von Haus Hörn in eine andere Wohnform ziehen können. Nicht immer klappt das. „Manche Menschen leben hier seit vielen Jahren“, berichtet Jeannette Curth.

Nach einem Umbau des Hauses 2010 hat die Intensive Langzeitpflege heute 26 Plätze. Und die sind eigentlich immer belegt. Bei der Finanzierung allerdings sieht die Leiterin dringenden Handlungsbedarf. Stationäre Rehabilitation, womöglich über Jahre, ist teuer. Die Pflegekasse beteiligt sich je nach Pflegegrad an den Kosten. Auch die Krankenkassen zahlen etwas, wenn eine Verordnung vorliegt. „Aber für den Patienten und seine Angehörigen bleiben dann immer noch Kosten von rund 3000 Euro im Monat“, rechnet Curth vor. Der Sozialhilfeträger springt ein, aber nur, wenn kein Geld (mehr) da ist.

„Viele Leute sagen mir: Wir würden gerne zu Ihnen kommen, aber wir können uns das nicht leisten“, berichtet Curth. Eine Klärung der Kostenregelung sei, auch im Sinne der Familien, dringend nötig, findet sie. „Dafür muss es doch eine Lösung geben.“

Margot Gasper
Quelle: Aachener Nachrichten vom 18. August 2017
Foto: Ralf Roeger

Mit freundlicher Genehmigung der Zeitungsverlag Aachen GmbH, Aachen, http://www.zeitungsverlag-aachen.de/

veröffentlicht am 8. September 2017 in den Kategorien Allgemein, AN