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“Zwischen Tür und Angel geht nicht mehr!”
In wenigen Wochen startet in Deutschland die neue generalistische Pflegeausbildung. Was denken Praxisanleiter eigentlich darüber?
Fünf Fragen an fünf Personen aus fünf Einrichtungen in fünf Bundesländern.
Fragen: Holger Jenrich

Altenpflege: Haben Sie den Eindruck, dass die neue Pflegeausbildung wirklich etwas Neues bedeutet – oder glauben Sie, dass sich für Praxisanleiter nichts oder nur wenig ändert?

Heike Haslauer: Die neue Pflegeaus­bildung bringt einige Neuerungen. Es ist nun nicht mehr möglich, dass die praktische Anleitung zwischen Tür und Angel durchgeführt wird. Die Ar­beit der Praxisanleiter wird sich deut­lich verändern. Zukünftig unterliegen zehn Prozent eines jeden praktischen Einsatzes der Auszubildenden der prakti­schen Anleitung. Dies ist laut Gesetz nachzuweisen. Das be­deutet für alle Praxisanleiter eine präzise Planung der praktischen Einsätze und der Anleite-Situationen. Die praktische Anleitung wird ausschließlich durch einen Praxisanleiter durchgeführt — bisher war es auch möglich, dass eine Pflegefachkraft anleitet. Dies entfällt mit der neuen Ausbildung.
Sicher wird es auch eine Herausforderung sein, dass die Praxisanleiter sich immer wieder auf neue Auszubildende einlassen müssen, da die Auszubildenden aus der Krankenpflege, der Kinderkrankenpflege und den ambulanten Diensten ihre Orientierungseinsätze in den Pflegeeinrichtungen ableisten müssen.
Ich denke aber, dass die Ausbildung in allen Bereichen der Pflege deutliche Verbesserungen bringen wird.

Heike Haslauer ist zentrale Praxisan­leiterin der Alten- und Pflegezentren des Main-Kinzig-Kreises/ Hessen

Altenpflege: Die Pflegewelt ist ab 2020 eine andere – auch für Praxisanleiter.
Fühlen Sie sich gut vorbereitet oder besteht weiterhin Informationsbedarf?

Elisabeth Schomacher: Die Fragen, die für mich bleiben, sind vielfältig, da einfach noch ein großer struktureller Klärungsbe­darf bei der Bildung der Kooperationsver­bünde besteht. Das fängt mit der Festlegung von Verantwortlichkeiten an, geht über die Frage der Einstellung der Auszubildenden bis hin zur einrichtungsübergreifenden Zu­sammenarbeit der Praxisanleiter, Ausbildungskoordinatoren und Lehrkräfte. Die neuen Rahmenlehrpläne geben auch der Praxis Handlungsanweisungen zur Aus­bildung der Kompetenzen, die vor Ort noch konkretisiert werden müssen. Die Träger sollten ihr eigenes Profil schär­fen, um für sich zu klären, welche Kompe­tenzen in der eigenen Einrichtung auf wel­chem Wege ausgebildet werden können. Der Zeitdruck für Theorie und Praxis ist hoch, und viele Fragen werden sich wohl erst im konkreten Tun zeigen. Die Praxis hat auch ein großes Paket von Aufgaben, das an der Basis gestaltet werden muss, um die Auszu­bildenden in dieser Zeit zu begleiten. Aber wir dürfen und können diese auch selbst gestalten, das sehe ich als große Chance.

Elisabeth Schomacher ist Ausbildungskoordi­natorin der Haus Hörn gGmbH in Aachen/Nordrhein-Westfalen

Altenpflege: Überwiegt bei Ihnen an­gesichts der neuen Pflegeausbildung eher die Vorfreude oder die Sorge?

Franka Ehlers: Die neue Pflegeausbil­dung war lange die große Unbekannte. Je mehr Licht ins Dunkel gebracht wird, desto mehr erwarte ich die neue Ausbildung mit Spannung. Die Rahmenlehrpläne stehen ja und wurden meiner­seits neugierig gelesen. Die Schulen in Hamburg machen sich jetzt auf den Weg, ihr Curriculum zu schreiben, und wir Praxisanleiter haben eine Marschroute, nach der wir planen können. Natürlich schwingt noch etwas Sorge mit, aber die Elbphilharmonie wollte zu­erst auch kaum jemand – und nun möchte sie wohl keiner mehr missen. Die Pflegewelt ent­wickelt sich stetig fort und wahrscheinlich ist die neue Ausbildung ein notwendiger Schritt, um sich den neuen Anforderungen zu stellen.
Die Klienten verändern sich auch. Das merken nicht nur wir in der Altenpflege, sondern auch die Krankenhäuser. Natürlich muss die Altenpflege jetzt aber den Rücken gerade machen, ihre Vorzüge präsentieren und weiter ih­re Attraktivität steigern, um weiterhin Menschen für die Ausbildung in diesem Bereich und Fach­kräfte für sich begeistern zu können. Aber das kann sie definitiv, denn ich bin von Haus aus gelernte Gesundheits- und Krankenpfl egerin und habe meine berufliche Heimat in der Altenpflege gefunden

Franka Ehlers ist freigestellte Praxisan­leiterin im „Holsten­hof“ der Pflegen und Wohnen GmbH in Hamburg

Altenpflege: Sie dürfen sich im Rahmen der Praxisanleitung fort­an nicht nur (wie bisher) auf das Altenpflege-Setting fokussieren, sondern müssen auch die ande­ren pflegerischen Bereiche be­rücksichtigen. Wie schwer fällt Ihnen das?

Olivia Magalú: Es wird auf jeden Fall herausfordernd. Doch ich sehe es auch als große Chance. Interdis­ziplinäres Zusammenarbeiten be­kommt eine noch stärkere Position. Dies macht es umso wichtiger, sich mit den unterschiedlichen Settings auseinanderzusetzen. Wir möchten allen Schülern eine gut qualifizier­te Ausbildung bieten und auf deren Fragen eingehen. Es wird nun viel auf Fortbildungen und Informati­onsaustausch ankommen. Aber ich persönlich freue mich darauf. Ob es mir schwer fallen wird, wird sich zeigen.

Olivia Magalúist ist Praxisanleiterin im „Haus der Pflege Martinus“ in Weil im Schönbuch/Baden­Württemberg

Altenpflege: Haben Sie schon Kooperationspartner für alle erforderlichen Pflegesettings gewinnen können?

Christian Wiedemann: Das Finden der Kooperationspartner ist eine Mam­mutaufgabe, stellt sich vehement schwierig dar und benötigt eine Menge an Zeit, Freiraum und Kreativität. Die Ausbildungsplätze etwa in der klassischen Klinikkinderkran­kenpflege reichen bei Weitem nicht aus, sodass man sich ganz schnell auf die Suche nach alternativen Einsatzorten abseits der Kinder­kliniken macht.
Aus Personalmangel verringerten viele Kinderkliniken in den letzten Jahren ihre Bettenkapazitäten und schlossen teils ganze Stationen. Fein heraus ist man, wenn man einem Träger angehört, der eine Vielfalt an Ein­richtungen, wie z.B. Langzeit- und Kurzzeitpflege und eigene Kindereinrich­tungen, vorweisen kann. Dies ist bei uns nicht der Fall. Dennoch haben wir glücklicherweise momentan unsere Plätze alle finden können.

Christian Wiedemann ist Teamleiter der Ausbildungskoordina­tion der Münchenstift GmbH in München/ Bayern

Erschienen in der Altenpflege 10/19, Vincentz Network, Hannover
Den Original Artikel finden Sie hier.

veröffentlicht am 4. Dezember 2019 in den Kategorien Allgemein, Pressespiegel