Da lassen sogar die Bauarbeiter an der Straße ihren Presslufthammer pausieren: Für die Bewohner des Seniorenwohnzentrums Haus Hörn gab es am Mittwochnachmittag ein besonderes Konzert. Sie mussten dafür bloß auf den Balkon treten.
„Hoch auf dem gelben Waaagen“, schmettern Hein Lindgens und Josef Hubert Bruynswyck am Mittwochnachmittag. Begleitet werden sie dabei von Frank Hecht am Akkordeon, von Michaela Chiric an der Querflöte – und von vielen, vielen Bewohnerinnen und Bewohnern des Seniorenzentrums Haus Hörn. Ein Mitsingkonzert, und das in Zeiten des Kontaktverbots? Kein Problem, denn die Seniorinnen und Senioren stehen und sitzen auf den Balkonen ihrer Wohnungen. Ein Balkonmitsingkonzert, also. Ebenfalls textsicher dabei und sichtlich froh, dass alles geklappt hat: Dr. Ingrid Schmidt, Leiterin des Betreuten Wohnens an Haus Hörn. Sie war diejenige, die den Stein ins Rollen gebracht hat.
„Ich habe das im Fernsehen gesehen“, sagt sie im Gespräch mit unserer Redaktion. In Italien und Spanien, wo die Menschen durch die Corona-Krise noch deutlich mehr Einschränkungen in Kauf nehmen müssen als bei uns, hätten Menschen von ihren Balkonen und Dachterrassen aus Musik gemacht, um sich gegenseitig aufzuheitern. „Da dachte ich, das können wir auch.“ Zwar gibt es im Bereich des Betreuten Wohnens am Haus Hörn kein komplettes Besuchsverbot. Dennoch sind die Bewohnerinnen und Bewohner in ihrem Alltag eingeschränkt.
Denn das Begegnungszentrum ist geschlossen, und Angehörige werden inständig gebeten, Besuche nur kurz zu halten und auch keine Enkelkinder mitzubringen. Den Menschen fehle also der Austausch, auch wenn sie häufig schon schlimmere Situationen erlebt hätten als die derzeitige, sagt Ingrid Schmidt. „Von daher wollten wir das mit diesem Konzert einfach mal ausprobieren.“
Hilfe von der Feuerwehr
Die Hausbewohner waren schnell informiert, die Musiker schnell akquiriert. Und auch Hilfe von der Feuerwehr gab es: Denn statt eines Verstärkers bedient sich Hein Lindgens an diesem Nachmittag einfach eines Megafons der Feuerwehr, um sich auch auf den Balkonen der höheren Stockwerke Gehör zu verschaffen.
Die Aktion und vor allem auch die Auswahl der Volkslieder kommt gut an bei den Bewohnerinnen und Bewohnern. Außer „Hoch auf dem gelben Wagen“ wird noch „Im Märzen der Bauer“, „Das Wandern ist des Müllers Lust“ und „Der Mai ist gekommen“ gesungen.
„Das ist wirklich nett, dass die hier sowas für uns veranstalten“, sagt eine Bewohnerin, die hinunter in den Hof gekommen ist. Ihre Schwester ist zu Besuch, die beiden sitzen auf der Holzbank und lassen sich die Sonne ins Gesicht scheinen. „Aber das ist hier generell so, dass es viele Angebote gibt“, schiebt die Seniorin hinterher. Ja, Corona sei natürlich ein Thema. Man könne sich dem ja kaum entziehen. „Aber umso schöner, dass wir hier eine Ablenkung bekommen.“ Die Ablenkung ist sogar so schön, dass die Bauarbeiter, die gerade an der Ahornstraße tätig sind, eine Pause einlegen. Der Presslufthammer schweigt, damit die Seniorinnen und Senioren die Musikinstrumente und sich selbst besser hören können.
„Wir werden in den kommenden Tagen hören, wie die Resonanz auf die Aktion ist. Wenn den Leuten das gefallen hat, werden wir das wiederholen.“ Zumindest am Mittwochnachmittag sieht es ganz danach aus, dass Hein Lindgens die Feuerwehr bald noch einmal um das Megafon bitten kann…
Quelle: Aachener Nachrichten vom 1. April 2020
Mit freundlicher Genehmigung der Zeitungsverlag Aachen GmbH, Aachen, http://www.zeitungsverlag-aachen.de/
veröffentlicht am 20. April 2020 in den Kategorien AN, Begegnungszentrum, Pressespiegel