Aktuelles » Aachener Hospizgespräch – Sinn und Würde bis zuletzt

Als „Revolution der Menschlichkeit“ beschrieb Gerda Graf, Ehrenvorsitzende des Deutschen Hospiz- und Palliativverbandes, was sich in den letzten Jahrzehnten mit Blick auf die Betreuung sterbender Menschen getan hat. „Und die palliative Begleitung im Hospiz hat in Aachen ihre Anfänge genommen“, betonte sie dabei. Das Hospiz Haus Hörn gehört zu den Pionieren und feiert in diesen Tagen seinen 35. Geburtstag. In einer Podiumsdiskussion machte sich eine Expertenrunde nun Gedanken darüber, was es in der aktuellen Situation heißt, ein „tragfähiges und zukunftsfähiges Hospiz zu gestalten“.

„Sinn und Würde bis zuletzt – Perspektiven für ein zukunftsfähiges Hospiz“: So lautete der Titel des 112. Aachener Hospizgesprächs. In einer Sache waren sich Experten und Politiker dabei schnell einig: Die Hospizarbeit muss in die Öffentlichkeit. „Wir müssen Menschen an ihre Endlichkeit erinnern, und das ist nicht schön“, hatte Graf bereits in ihrem Impulsvortrag betont. Schon Kinder und Jugendliche mit dem Thema zu konfrontieren, ist nach Meinung von Bürgermeisterin Hilde Scheidt genau der richtige Weg, um das Thema Tod aus der Tabuzone zu holen.

Vielschichtige Debatte

Wie vielschichtig die Diskussion um den Hospizgedanken und das Sterben ist, zeigte sich unter anderem, als Rudolf Henke, CDU-Bundestagsabgeordneter und Präsident der Ärztekammer Nordrhein, die aktuelle Debatte zur SterbehiIfe nach dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts in den Blick nahm. Ist es sinnvoll, Suizid straffrei zu stellen? Ist es wirklich richtig, das Sterben in die eigene Hand zu nehmen?

Nach Meinung der geladenen Experten ganz sicher nicht. „Wir müssen die Idee vom guten Sterben verankern“, sagte etwa Dr. Sascha Weber von der Klinik für Palliativmedizin an der Uniklinik Aachen. Auch nach Meinung von Gerda Graf liegt der Schlüssel eher darin, „den letzten Jahren des Lebens Würde und Sinn zu verleihen“. Und nachdem man die Sterbenden lange sträflich vernachlässigt habe, sei schon vieles erreicht. Ängste ernst nehmen und genau zuhören lautet der Rat, den Dr. Ursula Tirier vom Institut für Logotherapie und Existenzanalyse in Essen allen mit auf den Weg gibt, die Sterbende betreuen. „Wir müssen ihnen das Gefühl vermitteln, bei Ihnen zu sein“

Damit das Konzept der palliativen Begleitung wirklich funktionieren kann, braucht es nach Meinung von Gerda Graf ein „Treuebekenntnis“ all jener, die den Sterbenden begleiten. Das könne aber nur funktionieren, wenn Pflegerinnen und Pfleger entsprechend ausgebildet und wertgeschätzt werden, so der allgemeine Tenor. Gerade die Coronakrise habe die Belastungsgrenze noch einmal deutlich nach oben verschoben, und das Pflegepersonal in den Hospizen, Altenheimen und Krankenhäusern arbeite erneut am Anschlag. Essenziell sei eben auch eine gute Bezahlung als Ausdruck der Wertschätzung. Dass gerade im Gesundheitssystem in den vergangenen Jahren vieles vernachlässigt wurde, und zwar auf Landes- und Bundesebene, räumte Waldemar Radtke, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Gesundheitswesen (ASG), ein.

Und genau hier setzen die Wünsche der Fachleute an: Ganz oben auf der Liste steht eine ausreichende Anzahl an gut ausgebildeten Pflegerinnen und Pflegern. Und sie sollten vermehrt die Chance bekommen, sich auszutauschen und ihren Arbeitstag zu reflektieren.

Mit Optimismus in die Zukunft

Anne Storcks zeigte sich höchst zuversichtlich mit Blick auf die Zukunft. Sie leitet das Hospiz Haus Hörn seit zwei Jahren und hält es für entscheidend, Sterbenden und Angehörigen gleichermaßen mit höchster Wertschätzung zu begegnen. „Und es muss gelingen, ihnen Wege im Hier und Jetzt aufzuzeigen, denn wenn sie erkennen, dass es lohnenswert sein kann, weiterzuleben, dann würden auch nicht mehr so viele Sterbewünsche artikuliert“, sagte sie.

Moderiert wurde die Podiumsdiskussion von Veronika Schönhofer-Nellessen, Leiterin der Servicestelle Hospiz in Aachen.

 

Text: Martina Stöhr

Foto: Andreas Herrmann

Quelle: Aachener Zeitung vom 5. September 2021

Mit freundlicher Genehmigung der Medienhaus Aachen GmbH

veröffentlicht am 5. September 2021 in den Kategorien Allgemein, AZ, Hospiz, Pressespiegel